Die türkische Besetzung

 

„Sklaven wohnen in den Dörfern, auf den Feldern mit den Türken.

Für die Kühnen sind die Berge und die Wildnis und die Schluchten

Lieber bei den wilden Tieren, als zu leben mit den Türken.“

Griechisches Volkslied  [1]

Portrait of Murad II by John Young
Portrait of Murad II by John Young (Photo credit: Wikipedia)

Die türkische Besetzung ist ein fortwährender Alptraum für die Griechen. Angst vor Repression und Vernichtung veranlasst viele Menschen, sich in hochgelegene und unzugängliche Gebirgsregionen zurückzuziehen. Dort zwingt sie alltägliche Not zur bestmöglichen Nutzung aller Ernährungsquellen. Die Menschen roden Wälder, bestellen den Boden und verarbeiten die Wolle ihrer Schafe. Durch ihre Tätigkeit in den unwegsamen Bergen fühlen sie sich frei von türkischer Unterdrückung und entwickeln zunehmenden Stolz auf ihre Unabhängigkeit. Besonders in der wilden Bergregion von Agrafa bis Arkanien und im Gebiet des Olymps leben sie unter dem Schutz von Menschen, die nie aufhörten, sich gegen das türkische Joch aufzulehnen, den Kleften.

Български: Източник: Алманах Македония в образ...
Български: Източник: Алманах Македония в образи, София, 1919. (Photo credit: Wikipedia)

Im krassen Gegensatz entwickelt sich die Lage der in den Ebenen zurückgebliebenen Griechen. Diese schmachten als unterjochte Leib-eigene der türkischen Besatzer; ihre Zahl wird durch Entbehrung, zahlreiche Überfälle und Seuchen stark dezimiert.

TÜRKENJOCH

Es kommen die Türken. Sie besetzen das Land. Sie sind da. Ganztags arbeiten die Sklaven, unaufhörlich; rastlos verzweifelt quält sich die zerschundene Seele, barfüßig, nackig, um das Korn, die Gerste, den Reis, die Bohnen für den Aga zu ernten, zuvor das Feld zu pflügen, die Frucht zu enthülsen und zu zerstampfen, in den Sack zu stecken, und seine Frau blass und mager in Armut und Demut gestoßen, nur noch ein Schatten von einem Menschen, trägt den Sack auf dem Kopf direkt in die Kammer. Die Herrin, die Frau vom Aga, reibt sich mit Milch fein, um dann auf dem Lager zwischen Federdecken sanft und weich zu liegen, während die Frönersfrau beim Hacken auf dem Feld, auf dem Weg oder im Gehölz ihre Brut austrägt.

Dem kleinen Aga soll es an nichts fehlen,

und das Sklavending hat nicht mal `nen Lumpen um sich gewickelt.

Sp. G. Mousselimis [2]

 

Kleften; Diebe oder Heroen?

 

Elegische und triumphale Lieder besingen die Kleften als unbeugsame Freiheitskämpfer, in denen das griechische Volk seine natürlichen Anführer zur Freiheit erblickt. Bereits vor dem Fall Konstantinopels zeichnet sich Widerstand in den Bergregionen Zentralgriechenlands ab. Ihr Ansehen kann nicht immer das beste gewesen sein. Als Kleften (Diebe), als Wölfe und wilde Tiere werden sie von ihren Nachbarn bezeichnet. Ein Klefte zu werden, war ungeachtet solcher Bezeichnungen Ziel vieler junger Männer; Räuber zu sein mit einer langen Tradition von Auflehnung gegen die osmanische Obrigkeit.

Freilich können einige Kleften der Versuchung zum lukrativen Seitenwechsel nicht w

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English: Tughra (i.e., seal or signature) of Murad V, Sultan of the Ottoman Empire for a few months in 1876. An explanation of the different elements composing the tughra can be found here. (Photo credit: Wikipedia)

iderstehen. Als vom Hunger bedrohte Bergbewohner in die thessalische Ebene hinabsteigen und türkische Besitzungen überfallen, reagiert Sultan Murad II prompt. Er bildet zur Bekämpfung eine Kommandogruppe und gewinnt zu deren Führung den gefährlichsten Kleftenführer. Vom Kleften zum Armatolos – vom Räuber zum Ordnungshüter.

Zum großen Bedauern des Sultans wechseln viele Kleften schnell wieder das Lager, wenn Intrigen, unregelmäßige Besoldung oder missliebige türkische Aktionen den Anlass bieten. Da sich Angriffe von Kleften auf die türkischen Besatzungen in den gesamten griechischen Bergregionen des Festlands häufen, sind die osmanischen Herrscher zum ständigen Einsatz neuer Kommandogruppen mit Kleftenführern gezwungen, ohne sich auf deren Beständigkeit verlassen zu können.

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English: Fruit_sellers_carrying_ceramic_jars_in_front_of_Sultan_Murad_III_circa_1582. (Photo credit: Wikipedia)

Die Kleften setzen bei der Türkenbekämpfung immer auf Überraschung durch Hinterhalt im Gebirge, dieser Taktik kommt auch die geologische Struktur im westlichen Zentralgriechenland entgegen. Der Krieg der Kleften wird aus diesem Grunde für die osmanischen Truppen sehr verlustreich.

Deshalb ist es auch kein Zufall, dass sich während des 2. Weltkrieges in Erinnerung an den Kampf der Kleften der Widerstand gegen die Überfälle der Italiener und Deutschen dort in Westgriechenland organisiert.

Zahlreiche Versuche im Epirus, sich des türkischen Jochs zu entledigen, scheitern in Blutbädern. 1481 führt Klada aus der Mani einen vergeblichen Aufstand an. 1495 und 1585 werden neue Revolten von Regimentern der berüchtigten Janitscharen ebenso erstickt wie 1612 die Erhebung der Bewohner von Ioannina unter Führung ihres Erzbischofes Dionysios.

Trotzdem ist regional der Widerstandswille ungebrochen. Die türkischen Besatzer lassen einige Bereiche der gewachsenen griechischen Strukturen bestehen, um regelmäßige Steuereintreibung zu gewährleisten. Die damit beauftragten Notabeln, (Archonten) wie auch höhere kirchliche Würdenträger können eine autonome kommunale Verwaltung unter türkischer Herrschaft sicherstellen und damit auch beschränkt Zufluchts- und Schutzmöglichkeiten für bedrängte Griechen bieten. Hauptaufgabe der Archonten ist es freilich, auferlegte Steuerlasten entsprechend der Leistungsfähigkeit der Einwohner umzulegen, Steuern einzusammeln und die Einhaltung von türkischen Anordnungen oder von Gemeindebeschlüssen zu überwachen. Der türkische Sultan wird in jeder Gemeinde im zivilen Bereich durch den Kadi (Richter) und den Aga, im militärischen durch den Woiwoden oder den Bei vertreten. Die türkischen Befehlshaber in Paramythia kommen und gehen.

Meist kommt Unheil mit ihnen. Männer wie der 1606 zum Pascha von Paramythia beförderte Osman Pascha samt seinem Schwager Hussein Tselepis sind mit dem Brand vieler Häuser Paramythias verbunden, wie auch der Woiwode Mehmed Pasopoulos oder der 1673 zum Verwalter Paramythias berufene Mehmed Bei für Unterdrückung und Terror stehen.[1] Dabei bringt die türkische Herrschaft im Epirus keine nennenswerte Einwanderung von Türken, sondern höchstens eine Verstärkung der ansässigen Albaner. Albanische Grundherren werden trotz türkischer Oberhoheit die eigentlichen Herrscher des Landes.[2]

A stone arch bridge at Agrafa mountains, Greece
A stone arch bridge at Agrafa mountains, Greece (Photo credit: Wikipedia)

Der Epirus bleibt auch in der Folge ständig umstritten. Die Serenissima Venedig landet hier, besetzt vorübergehend Gebiete an der Küste wie auch das Schloss von Preveza, um später diese Eroberungen (1699) den Türken zu übergeben. Schon 1716 nehmen die Venezianer siegreich den Osmanen die Küsten des Epirus von Buthrotos (Butrint) im heutigen Albanien bis hinab nach Vonitsa am ambrakischen Golf wieder ab. Die Bewohner der vereinigten Dörfer von Souli revoltieren 1732 gegen die türkischen Besatzer; auch dieser Aufstand wird blutig niedergeschlagen.Ein Edikt des Sultans verbietet 1635 Besitztum an Land für Nichtmoslems. Albanische Grundherren, viele Städter, aber auch Bauern in einigen Landesteilen treten daraufhin aus Sorge um ihren Grundbesitz zum Islam über. Christen müssen entweder ihr Land verlassen oder den Glauben wechseln. Albaner christlich-orthodoxen Glaubens bleiben unter griechischem Einfluß. Sie fühlen sich meist als Griechen, da ihre Kirche griechisch und das Griechische die allgemeine Verkehrssprache, im Bereich Ioannina sogar die Amtssprache ist.[3]

Dann kommt Ali aus Tepeleni in den Epirus……!


[1] Mouselimh Sp., Istorikoi Peripatoi Ana Th Jesprwtia, Giannina 1997, S. 35 ff

[2] Philippson A., Die griechischen Landschaften, Frankfurt a. M. 1956, Band II, Teil I, S. 124

[3] Ebenda, S. 125


[1] aus Vakalopoulos A., Geschichte Griechenlands von 1204 bis heute, Romiosini Köln, 1985, S. 29

[2] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990, S. 75