Thesprotias alte Geschichte

 

Thesprotias alte Geschichte

In der nordwestlichsten Ecke Griechenlands, nach Osten eingerahmt von großartigen Gebirgslandschaften, im Norden angrenzend an Albanien, im Westen das Ionische Meer berührend und im Süden in den Golf von Ambrakia übergehend, liegt das bereits von Homer besungene Thesprotien. Eine präzise Geschichte dieses durch alle prähistorischen und historischen Perioden von Menschen besiedelten Landstriches verliert sich aber unter dem dichten Schleier griechischer Mythologie. Knochen- und Feuersteinfunde lassen jedoch begründete Vermutung zu, dass seit der letzten Phase der mittleren Altsteinzeit (ca. 35.000 bis 9.000 v.Chr.) Neandertaler und Homo Sapiens in Thesprotia dauerhaft lebten. In die Neusteinzeit werden entsprechende Funde in der Höhle Agia Marina nördlich des Pavla-Flusses, der Sideri-Höhle bei Filiates, der Höhle von Psakka aus Rachouli und anderen Orten im Umfeld des heutigen Paramythia datiert.[1]

Spiros Mousselimis: „Als erster erwähnt Homer

Homer was also called Melesigenes (son of Mele...
Homer was also called Melesigenes (son of Meles) by the name of the brook which flowed by Smyrna, and today, through İzmir. (Photo credit: Wikipedia)

das Thesprotische Land und kündet vom Land der Toten und ihrem Aufenthalt am Hügel von Ephyra, wo später das Toten-Orakel errichtet wurde, nah beim Zusammenfluss der greulichen Acheron und Kokytos; Homer, der geistige Vater allen Wissens und der Weisheit im Altertum, schildert lebhaft und wahrheitsgetreu Gegenden, die er entweder selbst gesehen oder aus dem Munde Dritter erfahren hat“.[1]

 

Wo das niedre Gestad´ und die Haine der Persefonia,

Erde zugleich, und die Pappel, und die fruchtabwerfende Weide;

Lande dort mit dem Schiff an Okeanos tiefem Gestrudel,

Selbst dann hinein in Aides dumpfe Behausung.

Wo in den Acheron dort der Strom Pyriflegethon stürzet,

und des Kokythos Strom, der ein Arm der stygischen Flut ist;

dort am Fels, wo sich mischen die zween lautbrausenden Ströme;

Homer [2]

Der Name Thesprotia wird auf Kichiros, den pelasgischen Führer Thesprotos zurückgeführt, welcher die gleichnamige Stadt erbaute, die erste in dieser Gegend. Später wird Kichiros in Ephyra umbenannt. Kichiros kommt bei einer legendenumwobenen Hirschjagd in den Bergen Thesprotiens durch Einwirkung der Göttin Artemis ums Leben.[3]

Zwischen 2600 und 1900 v. Chr. beginnt die erneute Besiedelung Thesprotias durch Zuzug aus östlichen Gebieten. Erste Griechen (Hellenen oder Heller) wandern während der Mittleren Hellenistischen Periode (ca. 1900 v. Chr.) ein und dehnen sich rasch auf den restlichen Epirus aus. Ihr Siedlungsgebiet reicht nun vom Amvrakischen Golf im Süden bis zu den Flüssen Pavla und Skobi im Norden, sowie vom östlichen Pindusgebirge zum Ionischen Meer [4]. Andere Quellen orten das Gebiet der Thesproter zwischen Thyamis (Kalamas) und der Bergstadt Kassopi. Nach alter Überlieferung sollen die Thesproter dereinst sogar Dodona bei Ioannina beherrscht haben. In dieser Zeit gehören die Thesproter neben Chaonen und Molossern zu den drei größten epirotischen Hauptstämmen. In ihrem Gebiet liegen mehrere griechische Kolonien, darunter auch die korinthische Festung Elea.

Homer, Pericles, Alexander, Cleopatra, Hypatia...
Homer, Pericles, Alexander, Cleopatra, Hypatia, C&M, El Greceo, Cavafy (Photo credit: Wikipedia)

Poleis (Städte) wie Pandosia, Bouchetion, Bitia und Elatria wie auch die geographische Lage nahe am berühmten Totenfluss Acheron machen Thesprotia zu einem Begriff in ganz Griechenland dieser Zeit[1]. Während der nachhellenistischen Periode nimmt der Einfluss Mykenes in Thesprotia stark zu und führt zur Gründung erster Kolonien etwa um 1400 v. Chr.. Die mykenischen Baumeister bringen auch Wissen und Erfahrung zur Aufrichtung der heute noch zu bewundernden mächtigen Umwallungen aus gewaltigen polygonalen Steinen mit.

Coin of Alexander the Great, III
Coin of Alexander the Great, III (Photo credit: Wikipedia)

Im 12. Jh. v. Chr. geraten die Thesproter unter starken Druck, den Illyrer, West-Macedonier, besonders aber Molosser auf sie ausüben. Einzelne Stämme weichen diesem Druck nach Süden und östlich bis Thessalien aus. So gründen später 730 v. Chr. die Eleer neue Siedlungen in Elatia, Vouchatio, Pandosia und Vouties im Süden Thesprotias. Auch Korfus Einwohner setzen auf das Festland über und begründen beim heutigen Makrigiali (nahe Igoumenitsa) eine Kolonie. 432 v. Chr. verwickeln sie die Korinther bei Sivota in eine große Seeschlacht. Im peloponnesischen Krieg 415 v. Chr. wie auch später 375 v. Chr. sind die thesprotischen Stämme mit Bündnispflichten kämpferisch verwickelt. Ihr eigenes Gemeinwesen haben sie zu dieser Zeit in Form eines föderalistischen Staates organisiert, an dessen Spitze jährlich zu wählende Vertreter stehen. Die mächtigen Burgen von Elea und Titani garantieren den Schutz [2].

Phlipp II. von Makedonien unterwirft 343/342 v. Chr. die elischen Kolonien und das korinthische Elea, besetzt ganz Thesprotien; er unterstellt das eroberte Gebiet seinem molossischem Schwager Alexander. Seit dieser Zeit müssen die Thesproter trotz eines hohen Grades an Unabhängigkeit und Selbstverwaltung die Oberhoheit der molossischen Könige anerkennen. Einige wenige Bronzemünzen thesprotischem Ursprungs aus der Zeit etwa 330/325 v. Chr. beweisen diese weitgehende Freiheit noch [3].

English: Detail of the Alexander Mosaic, repre...
English: Detail of the Alexander Mosaic, representing Alexander the Great on his horse Bucephalus. Português: Detalhe do chamado „Mosaico de Alexandre“, originalmente na Casa do Fauno em Pompeia (c. 100 a.C.), representando Alexandre em seu cavalo, Bucéfalo (Museu Nacional Arqueológico de Nápoles). Original Upload Log (Delete all revisions of this file) (cur) 22:19, 1 July 2005 . . PHG (Talk (Photo credit: Wikipedia)

Über viele Jahre stellen die Städte am Ionischen Meer bedeutende Handelsstationen für Im- und Export wie auch für notwendige Transportverbindungen dar. Dies ändert sich, als die Römer sich des thesprotischen Gebietes bemächtigen. Der römische Kaiser Augustus siedelt nach seinem Sieg bei Aktio die gesamte Bevölkerung von Kassopi in die neuerbaute Stadt des Sieges, Nikopolis, um, und gliedert 27 v. Chr. Thesprotia der römischen Provinz Achäa ein. Ehemals wichtige Städte verschwinden oder existieren nur noch als unbedeutende Dörfer weiter.

Auch während der Zeit der byzantinischen Herrschaft kommt Thesprotia nicht zur Ruhe. Es häufen sich zerstörerische Überfälle durch Goten, Ostgoten und Sarazenen, denen der immer noch vorhandene Reichtum seiner Einwohner ins Auge sticht. Das heutige Paramythia ist auf den Ruinen erbaut, welche die räuberischen Horden des Goten Totila 551 n. Chr. in Thesprotia hinterließen. Wieder wechselt Thesprotia den Besitzer, als es nach dem Niedergang von Byzanz 1.204 n.Chr. an das Herrschergeschlecht der Komnenen fällt [4].

1449 n.Chr. unterwerfen die Osmanen dieses Gebiet für viele lange und dunkle Jahre

Sehr früh regt sich in Thesprotia der revolutionäre Widerstand gegen die türkische Besetzung. Der 1611 begonnene Aufstand des Dionysios scheitert noch. Berühmt und in zahllosen Liedern und Legenden besungen werden die erbitterten Kämpfe, die Soulioten dem Tyrannen des Epirus, Ali Pasche, über Jahrzehnte liefern. Erbost über mangelnde Unterstützung bleiben Soulioten und Thesprotier dem neugegründeten griechischen Staat fern. Nachdem erneute Erhebungsversuche der Soulioten 1854 und 1878 ohne Erfolg

Karte des Osmanisches Reiches in seiner größten Ausdehnung am Ende des 17. Jahrhunderts

bleiben, eilt schließlich die griechische Armee zu Hilfe. Am 23. Februar 1913 endlich ist Thesprotia frei von türkischen Besatzungs-truppen.

Zahlreiche historische Funde und Entdeckungen legen Zeugnis ab über den Reichtum der Bewohner dieses Landes. Auch können staunende Besucher an einer Fülle von zunehmend erschlossenen und archäologisch gesicherten Ausgrabungen das alltägliche, religiöse und kriegerische Leben durch die Zeiten nachvollziehen. Orte wie Sivota, Titani (Goumani), die Kirche Agios Georgios und das Kloster des Geromeriou nahe bei Filiates, Pirgos Ragiou (Ligia), Dimokastro (Elina) wie auch die nationale Gedenkstätte Souli spannen den Bogen aus grauer Vorzeit über die Mythen der Antike und den kaiserlichen Glanz der byzantinischen Periode bis hin zum Freiheitskampf der Griechen in der Neuzeit.


[1] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990,  S. 2

[2] ebenda, S. 2

[3] Franke, Peter Robert, Die antiken Mürnzen von Epirus, F. Steiner, Wiesbaden 1961, S. 47f


[1] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990, S. 10f

[2] Homer, Odyssee, Übersetzung J. H. Voß, J. G. Cotta, Stuttgart/Tübingen 1851, S. 205f

[3] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990, S. 12

[4] http.//www.duth.gr/Epirus/Thesprotia/, S. 2


[1] Rqginou G., „Oikistikq organwsq stqn arcaia Jesprwtia“, Apeirov, 2/99, Polidroso