Ali Pascha

 

Ali Pascha – Räuber, Tyrann oder „Hoher Pascha“?

 

1788 beginnt im Epirus eine neue Zeitrechnung. In diesem Jahr erobert Ali Pascha Ioannina und macht die Stadt in der Folge für viele Jahre zur reichsten in Griechenland.

Deutsch: * Titel: Ali Pascha
Deutsch: * Titel: Ali Pascha (Photo credit: Wikipedia)

Er ist eine schillernde Figur, dieser 1744 in Tepeleni/Albanien geborene Ali. Schon früh terrorisiert er als Anführer einer Räuberbande ganz Epirus und Thessalia. Raub und Mord bescheren ihm auch den unaufhaltsamen Aufstieg zum Pascha von Ioannina. Im Auftrag der Hohen Pforte, des Sultans der Osmanen, kontrolliert er mit seiner Bande die Thessalischen Straßen und wird zum Dank ein Jahr später Pascha von Thessalia, weitere zwei Jahre danach ist er bereits Pascha von Ioannina und 1789 lukrativer Generalaufseher über die Straßen, dessen Amtsbereich auch das griechische Festland einschloss.

Ali Pascha, wie er jetzt genannt wird, setzt seine Ziele mit allen militärischen und diplomatischen Mitteln durch. Souli und die Soulioten mit ihren Unabhängigkeitsbestrebungen und ihrer blühenden Kultur sind ihm ein Dorn im Auge. Die Bewohner der vier Dörfer mit dem Hauptort Souli hoch am Westabhang des Berges Kakosouli, setzen sich aus christlichen, albanischen, später griechisch sprechenden Flüchtlingen zusammen, die um 1660 in den Bergwildnissen Zuflucht vor den Bedrückungen der Türken suchen und tapfer ihre Freiheit verteidigen. Zeitweise dehnen die Soulioten ihre Herrschaft über Teile der Landschaften von Paramythia und Margariti aus und plagen die Türken durch Raubzüge [1]. 1790 und 1792 wehren sie sich noch erfolgreich gegen Ali Paschas Eroberungsbemühungen.

Muhammad Ali Pascha Deutsch: 1805: Mohammed Al...
Muhammad Ali Pascha Deutsch: 1805: Mohammed Ali Pascha Français : Mehemet Ali, vice-roi d’Égypte (Photo credit: Wikipedia)

Selbst den großen Napoleon, welcher in dieser Zeit die Ionischen Inseln und die Epirusküste beherrscht, führt Ali Pascha hinters Licht. Er mietet zur Erweiterung seines Gebietes die Grafschaft Arta und überzeugt den Kaiser der Franzosen von seinen friedlichen Absichten, mit denen er die Meerenge von Korfu durchfahren möchte. Bei Chimarra setzt der Pascha aber seine Truppen an Land, die alle Einwohner töten und die Häuser plündern. Anschließend wendet sich Ali Pascha gegen die Franzosen in Preveza und erobert auch noch Vonitsa, Lefkas und Parga. In ihrer Not unterstellen sich die Menschen dieser Region dem gemeinsamen Schutz von Türken und deren Alliierten, den Russen in einem demokratischen Staat.

Der Aufstieg Ali Paschas nimmt kometenhafte Dimensionen an. Die Hohe Pforte überträgt ihm zusätzlich die Aufsicht über die öffentliche Ordnung in Makedonien und Thrazien; ehrt ihn auch mit der Verleihung des Titels „Hoher Pascha“. Er avanciert damit zum Herrscher über ganz Griechenland. Weil auch zwei seiner Söhne Gouverneursämter in Nafpaktos, Thessalia und Peloponnes erhalten, trägt der „Ali-Clan“ weiter zur Machterhöhung bei.

Nur das legendäre Souli ergibt sich Ali Pascha lange nicht. Unter Führung seines Sohnes Veli lässt er die Soulioten erneut attackieren; nach langer Belagerung zwingen Hunger und Durst diese zur Aufgabe. Ungeachtet des vereinbarten freien Geleits und der Preisgabe der Stadt am 16. Dezember 1803 greifen Truppen Ali Paschas drei Gruppen von abziehenden Soulioten an. Eine aus zweitausend Menschen bestehende Gruppe erreicht nach harten Kämpfen Parga. Die beiden anderen, nach Zalongo und Wargali strebenden Gruppen haben nicht soviel Glück. Auch ein erneuter Versuch, von Souli aus den Kampf gegen die Türken fortzuführen, endet 1822 mit der Vertreibung nach der Insel Kephalonia [1].

Locator map of Zalongo municipality (Δήμος Ζαλ...
Locator map of Zalongo municipality (Δήμος Ζαλόγγου) in Preveza prefecture (Νομός Πρέβεζας) in Greece. (Photo credit: Wikipedia)

Zur Erinnerung an diese blutigen Kämpfe leuchten die überdimensionierten weißen Frauengestalten des Denkmals von Zalongo an den steilen Felswänden über dem kleinen Kloster des Agios Dimitrios. Sie sollen den Freiheitskampf der Soulioten, dessen heroischer Kern die Phantasie der Griechen immer neu belebt, ins Gedächtnis rufen. In den Überlieferungen werden den Soulioten Augen wie Adler, Kletterkünste wie Bergziegen und beste Kenntnisse im unwegsamen Gelände zugeschrieben.

Um der Vergewaltigung, Gefangenschaft und schmachvollem Tod zu entgehen, fassen sich 60 Souliotinnen an den Händen und werfen sich im souliotischen Rundtanz in den gähnenden Abgrund. In jedem Jahr gede

nkt ein Großaufgebot von Bürgern, kirchlichen Würdenträgern, Politikern und Militär der Freiheitskämpfer von Souli und würdigt feierlich diese Unerschrockenen.

Ali  Pascha und die Frauen

Allmächtig dünkt sich Ali Pascha auch, wenn er Frauen nachstellt. Verweigerung bestraft er hart und blutdürstig.

Als die Geliebte seines Sohnes Muchtar, die schöne Kyria FrosIni sich ihm nicht hingeben will, lässt er sie und siebzehn weitere Frauen im See von Ioannina ertränken.

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Ali Pasha’s head, severed from the trunk, is presented to the Sultan Mahmud II, in a solemn audience Der vom Körper getrennte Kopf des Ali Pascha Tepelena wird in einer feierlichen Audienz dem Sultan Mahmud II überliefert. (Photo credit: Wikipedia)

Der Todesstrafe verfallen muslimische Frauen,

die ein Verhältnis mit Christen eingingen.

Weil sein Herz für die bezaubernde Vassiliki aus Filiates entbrennt, ermordet er seine erste Ehefrau.

Vassiliki holt er zu sich in den Palast, obwohl sie bekennende Christin ist. Vassiliki wird später Mitglied der Genossenschaft

zur Befreiung Griechenlands.

Nach dem Tode Ali Paschas deportiert man sie in die Türkei.

Ungeachtet aller kriegerischen Auseinandersetzungen blüht Ioannina unter Ali Pascha auf und entwickelt sich zur reichsten Stadt Griechenlands. Während der Herrschaft des früheren Räubers lassen sich nicht nur die besten Söldner nieder, es entstehen auch berühmte Schulen, es forschen und lehren namhafte Wissenschaftler, es arbeiten die herausragenden Künstler ihrer Zeit.

The city of Ioannina, the largest city in Epir...
The city of Ioannina, the largest city in Epirus and seat of the periphery of Epirus. (Photo credit: Wikipedia)

Für die Bevölkerung Paramythias allerdings hält diese Zeit wie überall in Griechenland nur wenig Tröstliches bereit. Desto eher ist sie geneigt, sich einem Geistlichen, Vater Kosmas zuzuwenden, der auf seinen Wanderungen Mäßigung, Friedfertigkeit und Geduld predigt und sich dadurch viele Anhänger schafft. Selbst Ali Pascha beeindruckt Kosmas durch seine Vorhersagen der Zukunft. So weissagt er dem türkischen Despoten, daß er dereinst mit einem roten Bart in Konstantinopel einziehen werde. Die Geschichte belehrt uns von der Richtigkeit, wird doch das abgeschlagene Haupt des Ali Pascha mit blutigem Bart im Triumphzug in die Hauptstadt des osmanischen Reiches gebracht werden. 1779 hält sich Vater Kosmas, der spätere Heilige Kosmas, kurz vor seinem gewaltsamen Tod auch in Paramythia auf und predigt dort seine Überzeugungen. Am 24. August 1779 wird er von den Türken in Berati erhängt. Ein durchaus naheliegender moderner Vergleich bezeichnet den heiligen Kosmas als „Martin Luther King des Epirus“. Zu seinen Ehren stiftet noch 1804 Ali Pascha dem Heiligen in Berati ein Kloster [1].

Monastery of Zalongo, below the dancing women.
Monastery of Zalongo, below the dancing women. (Photo credit: Wikipedia)

Namen wie der des heiligen Kosmas oder des 1611 gefolterten Dionyssios mit dem Beinamen „der Philosoph“ mögen dabei für all die namenlosen Geistlichen Griechenlands stehen, die über die Jahrhunderte in geheimen Schulen die Verbreitung und Behauptung ihres Glaubens förderten und damit auch als Bewahrer griechischen Volkstums in die Geschichte ihres Landes eingingen.

Die Allmacht Ali Paschas nimmt größenwahnsinnige Züge an und verleitet ihn, Befehle des Sultans zu missachten. Dieser beschuldigt ihn 1820 des Hochverrats und schickt den Feldherrn Paschalis mit seinem Heer, Ali Pascha abzustrafen. Makedonien, Thessalien, Nafpaktos, Preveza und Ioannina gehen in schneller Folge ebenso verloren wie die epirotische Küste. Die wichstigsten Truppenführer verlassen den nunmehr glücklosen Despoten und schlagen sich wie die aus Kerkyra heimgekehrten Soulioten zur Armee des Sultans.

Der in der Festung von Ioannina verschanzte Ali Pascha erlebt noch, wie in Griechenland 1821 die allgemeine Erhebung gegen die Türken beginnt. 1822 fällt der Kopf des Räubers, Tyrannen und „Hohen Paschas“, wird Ali Pascha im Auftrag des Sultans Machmut II enthauptet. Er stirbt allein, nur in Gesellschaft seiner 45 Millionen Goldstücke.

English: Ioannina Mynicipal Museum
English: Ioannina Mynicipal Museum (Photo credit: Wikipedia)

„Freiheit oder Tod!“

Am 25. März des Jahres 1821 beginnt mit diesem Ruf der Anfang vom Ende der langen Zeit der Unterdrückung, hisst im Kloster Agia Lavra bei Kalavrita der Bischof von Patras, Paläon Patron Germanos, die Flagge der Revolution. Auf der einen Seite stehen albanische Moslems zusammen mit den türkischen Herren, auf der anderen Griechen mit christlichen Albanern. Griechenland befindet sich im völligen Umbruch. Im Epirus reißen die Unruhen nicht mehr ab und veranlassen viele albanische moslemische Krieger zur Ansiedelung. Gleichzeitig

erheben sich ständig Albaner gegen das Heer des Sultans und wird in Südgriechenland der neue griechische Staat, dessen

English: Fanciful depiction of the surrender o...
English: Fanciful depiction of the surrender of Ioannina by Esad pasha to Greek Crown Prince Constantine during the First Balkan War. (Photo credit: Wikipedia)

erster Präsident Graf Ioannis Kapodistrias ist, aus der Taufe gehoben.

Im Epirus nehmen Revolutionsversuche an Zahl und Stärke zu. Noch sind sie vergeblich. Eine Revolte der Christen im Epirus wird im Jahre 1854 ebenso niedergeschlagen wie ein neuer Freiheitskampf 1878. Albanische, dort lebende Moslems erheben sich 1879, um eine Vereinigung mit Griechenland zu verhindern, da ihnen die orthodoxen Christen übermächtig erscheinen. Sie können nicht verhindern, dass 1881 durch verschiedene Abkommen die Grenzen Griechenlands bis zum Fluss Arachtos ausgedehnt, ein kleiner Teil des Epirus

English: Ioannina street
English: Ioannina street (Photo credit: Wikipedia)

angeschlossen wird. Der ganze Epirus allerdings kann erst nach den Balkankriegen 1912/13 durch die griechische Armee von den Türken befreit werden, nur um von 1916 bis 1920 von Franzosen und Italienern erneut besetzt zu werden.

Erst im Vertrag von Lausanne werden 1923 die endgültigen Grenzen zwischen Albanien und Griechenland festgelegt, nimmt der Epirus seine heutige Gestalt an.


[1] Mouselimh Sp., Istorikoi Peripatoi Ana Th Jesprwtia, Giannina 1997, S. 43 f


[1] Philippson A., Die griechischen Landschaften, Frankfurt a. M. 1956, Band II, Teil I, S. 103