Es kommen die Türken

GESCHICHTE DER  STADT PARAMYTHIA

BIS ZUR TÜRKENBESETZUNG

Im Süden rauscht, aus tiefen Schluchten kommend, der düstere Todesfluss Acheron, auf dem nach der mythischen Erzählung Homers die verstorbenen Griechen vom schweigsamen Fährmann Chairon in die Hades genannte Unterwelt der Schatten gebracht werden.

English: Ioannina Clocktower
English: Ioannina Clocktower (Photo credit: Wikipedia)

Im Norden zieht, streckenweise behäbig und gelassen, dann wieder tief und dunkelgrün, der bei Ioannina entspringende Kalamas, auch Thyamis genannt, seine Bahn. Beide haben über die Jahrtausende hinweg nichts gemeinsam. So scheint es aber nur. Bei näherem Blick in die griechische Geschichte des Altertums und der Neuzeit werden Parallelen augenfällig. Teilt der Acheron in der archaischen, legendären Vorzeit das Reich der Lebenden von dem der Toten, so trennt in der Zeit des griechischen Bürgerkrieges zweieinhalb Jahrtausende später der Kalamas die Gebiete der Königstreuen von denen der Kommunisten; je nach Standort eine Trennung von Gut und Böse und oft genug ebenfalls von Leben und Tod.

English: A2 motorway (Egnatia Odos) in Greece,...
English: A2 motorway (Egnatia Odos) in Greece, section Paramythia-Igoumenitsa. The descent of the motorway to the port of Igoumenitsa is shown in the evening. Deutsch: Autobahn 2 (Egnatia Odos) in Griechenland, Präfektur Thesprotia, Verwaltungsregion Epirus. Abschnitt Paramythia-Igoumenitsa. Der Abstieg der Autobahn zum Hafen von Igoumenitsa bei Sonnenuntergang. (Photo credit: Wikipedia)

Zwischen beiden Flüssen, in einer von der Natur verwöhnten Landschaft und im Herzen Thesprotias, liegt als Endpunkt einer Entwicklung über viele Jahrhunderte Paramythia, die Hauptstadt der Provinz Souli, und Mittelpunkt der umliegenden Dörfer. Die Doppelreihe aus Korilles, Oros Paramythias und den Souliotischen Bergen mit über 1.600 m Höhe beschattet ausgedehnte Olivenhaine und Macchia; weißer und gelber Affodill künden

von der Haupteinnahmequelle der Bauern dieser Provinz als Folge extensiver Beweidung durch Schaf- und Ziegenherden. Judasbäume erquicken zu Beginn des Frühjahrs mit ihren tiefvioletten Blüten das Auge des Betrachters. Natürlicher Reichtum solcher Fülle zog bereits in der Morgendämmerung griechischer Geschichte die Menschen an.

English: Municipalities (dimi) of Thesprotia p...
English: Municipalities (dimi) of Thesprotia prefecture, Greece 2010: 1. Dimos Igoumenitsas 2. Dimos Souliou 3. Dimos Filiaton Deutsch: Gemeinden (dimi) der griechischen Präfektur Thesprotia 2010: 1. Dimos Igoumenitsas 2. Dimos Souliou 3. Dimos Filiaton (Photo credit: Wikipedia)

Wie an vielen Orten in Thesprotia wurden auch hier neuere Dörfer und Städte über den Ruinen alter Siedlungen erbaut. Das heutige Paramythia erhebt sich nach Spiros Mousselimis über den Resten der prähistorischen pelasgischen Stadt Ella, auch Sella oder Hellas genannt, einer Stadtgründung der Thessalischen Thesprotier[1]. Der Name der Ansiedlung wird vom durchströmenden Fluss Selleeis (auch Kokytos) abgeleitet und gibt zugleich seinen Einwohnern den Namen. Die bei Homer erwähnten Selloi („Selloi sind eine Nation von Thesprotien in Epirus, genannt nach Sellos, dem Thessalier und dem durchströmenden Fluß…u.s.w.“) werden um das fünfzehnte vorchristliche Jahrhundert von Aiakos, dem Großvater des legendären Achill, verdrängt, verlassen das thesprotische Thessalien und lassen sich in der Nähe von Dodona nieder.

„Zeus von Dodona, Pelasgischer Herr,

Gebieter der Ferne,

Wo du das winterlich rauhe Dodona regierst,

von den Hellern Deinen Priestern,

umlagert mit ungewaschenen Füssen“. [2]

Eine neuere Übersetzung dieses sechzehnten Gesanges in der Ilias Homers (16. Gesang, Vers 233-235) spricht sogar von nie gewaschenen Füssen, benennt aber auch statt der „Heller“ den anderen Namen „Selloi“.[3] Spiros Mousselimis: „Homers Selloi mit den „ungewaschenen Füßen“ können keine anderen sein als eben jene Bewohner um Sella, die, weil sie in den Sümpfen und im Morast lebten, niemals Sandalen trugen; sie liefen barfüßig und schleppten die an den Füßen klebenden Erdklumpen mit sich herum, (….)“.[4]  Aus dieser prähistorischen Zeit sind nur einige Mauerwerkreste, sowie Schwert und Pfeilspitzen aus Kupfer als Grabbeigabe erhalten. Erhalten hat sich dennoch die Überzeugung, dass der antike Name „Hellas“ eines Paramythia-Vorläufers der späteren griechischen Nation ihren Namen gab.

Kalamas, river in Greece
Kalamas, river in Greece (Photo credit: Wikipedia)

„Hunderte von Jahren vergingen; die Seen tauchten unter; die Flüsse folgten anderem Lauf; neue Ebenen bildeten sich; ganze Ortschaften gingen unter; Städte wurden von ihren Trümmern zugeschüttet. Der Mangel an geschichtlichen Auskünften über ein Land, bedeutet lange nicht, dass dieses Land von belanglosem Interesse ist und jeglicher Kultur entbehrt. So liegt nämlich der Fall bei den thesprotischen Städten, die in dem Umland des prähistorischen Hades (…) liegen“[1]. Mit solch blumigen Worten beschreibt Spiros Mousselimis archäologische Beweisschwierigkeiten. Bekannt ist jedoch der Untergang des alten Evrias, das 551 n. Chr. dem Ansturm der gotischen Horden Totilas zum Opfer fällt. Vo

Deutsch: Ioannina Blick zur Insel
Deutsch: Ioannina Blick zur Insel (Photo credit: Wikipedia)
Locator map of Thesprotia prefecture (Νομός Θε...
Locator map of Thesprotia prefecture (Νομός Θεσπρωτίας) in Greece (Photo credit: Wikipedia)

r der Zerstörung durch den Menschen erzwang die Natur eine Veränderung. Weil Evria von den Überschwemmungen des Selleeis (Kokytos) permanent gefährdet war, ziehen viele Einwohner auf den Hügel von Pandosia. Der Sitz der bereits im dritten und vierten Jahrhundert in Evria amtierenden Bischöfe aber wird nach Photike (Fotiki) verlegt, wie überhaupt Frömmigkeit vorwiegend für Dokumentation von Bischofsnamen verantwortlich ist.

Schon seit dem 1.Jh. n. Chr. leben Christen im Gebiet der in der Folge auch Agios Donatos genannten Stadt und feiern gemeinsam mit dem Namensgeber, dem als Teilnehmer an der Zweiten Ökumenischen Synode im Jahre 381 n. Chr. bekannt gewordenen und als wundertätig gerühmten Bischof Donatios die Heilige Messe. Weitere Bischöfe werden bekannt. So beschreibt eine unter dem Namen des Bischofs Diadochos geführte Schrift, dass „Photike von vielen Gewässern umgeben war (516 n. Chr.), voller hübscher Baumgärten und erquickenden Brunnen und dass es ihren Bewohnern wohl erging“ [2]. Auch Bischof Florentius bleibt mit einem auf dem Heiligen Berg Athos aufbewahrten Lobgesang an den Heiligen Stephan der Nachwelt erhalten. Interessante Münzfunde und Grabinschriften und ein prächtiger Marmorsarkophag aus römischer Zeit (jetzt im Archäologischen Museum von Ioannina) legen Zeugnis ab von einer hochentwickelten Kultur wie auch eines leistungsfähigen Wirtschafts

Paramythia's marketplace 1915
Paramythia’s marketplace 1915 (Photo credit: Wikipedia)

systems mit weitreichenden Verbindungen.

English: Thyamis (Kalamas) River, flowing thro...
English: Thyamis (Kalamas) River, flowing through the Theogefyron (God’s bridge). (Photo credit: Wikipedia)

Nach der Zerstörung des nahe gelegenen Nikopolis im Jahre 925 n. Chr. wird Photike Verwaltungssitz des alten Epirus und gibt nun den Namen dem ganzen Land. Michael Paläologos erwähnt in seiner Autobiographie, daß er „Akarnania, Aitolia, Illyria und ganz Photike“ unterworfen habe[3].

Dann beginnt der Verfall von Photike, bis die einstmals blühende Stadt ca. 1200 n. Chr. menschenleer geworden ist und nur noch der Schutt seiner Kirchen langsam vom Unkraut überwuchert wird. Die wilden albanoserbischen Horden des Bogoes, die 1394 Thesprotia verwüsten, finden nur noch kümmerliche Reste Photikes.

Es kommen die Türken……

Die siegreichen osmanischen Eroberer nennen die auf den Trümmern der Vergangenheit erbaute Stadt Aij nonor Kalessi[4] oder Galata. Eine mächtige, auf hellenischen Fundamenten erbaute Festung, deren Mauerreste heute noch bewundert werden können, sorgt für den Schutz der Eroberer. Minarette, Moscheen und ein Bazar, nach der Befreiung von aufgebrachten Griechen zerstört, beweisen, dass die türkischen Eroberer sich in dieser Gegend sehr heimisch fühlen[5].

Stadt und Einwohner teilen für lange Jahre das Los der Unterjochung durch die Osmanen mit Thesprotia, Epirus und dem ganzen Land der Hellenen.


[1] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990, S. 65

[2] Ebenda, S. 71f

[3] Ebenda, S. 72

[4] Karaminas, Epirus, Ilianthos Athen

[5] De Jongh Brian, Griechenland, Prestel-Verlag, München 1974


[1] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990, S. 43

[2] Ebenda, S. 43

[3] Homer, Ilias, Reclam Stuttgart, 1979, in der Übersetzung von R. Hampe

[4] Mousselimis Sp., Der alte Hades und das Totenorakel von Ephyra, Ioannina 1990, S. 43f