Bürgerkrieg in Epirus

 Bürgerkrieg in Epirus

Griechen gegen Griechen

Beide Gruppen haben zunächst gemeinsame Ziele. Beide werden 1941 gegründet. Beide eint Entschlossenheit, die fremden Besatzer vom griechischen Boden zu vertreiben und eine erneute Machtübernahme des im Exil lebenden früheren Königs Georg zu verhindern. Beide träumen von Unabhängigkeit des griechischen Volkes und beide sind abhängig von fremden Mächten. Beide können großen Zulauf verzeichnen und beide bringen großes Elend über Griechenland. „Nationale Befreiungsfront (EAM)“ und „Nationale Befreiungsarmee (ELAS)“ auf der einen, „Griechisch Republikanische Befreiungsliga (EDES)“ auf der anderen Seite hegen Visionen einer besseren Zukunft für ihr Land. Ihre Zusammensetzung allerdings birgt bereits den Keim kommender Zerwürfnisse. So übt die EAM große Anziehung auf Jugendliche und Frauen aus ländlichen Gegenden aus. Die Mehrheit ihrer geschätzten eineinhalb bis zwei Millionen Mitglieder setzt sich aus Nichtkommunisten zusammen, während ihr Bündnispartner ELAS von Kommunisten gegründet wurde. Auch die EDES, deren Machtzentrum im Epirus liegt, vereint in ihren Reihen praktisch nur Nichtkommunisten.[2]
Geboren aus dem und vereint im Widerstand gegen die fremden Besatzer eskalieren ungeachtet dessen die Spannungen zwischen diesen Gruppen bereits im Oktober 1943, als ELAS der EDES Kollaboration mit der Besatzungsmacht vorwirft. Die deutschen Besatzer hatten, die Vergeblichkeit ihrer Partisanenbekämpfung erkennend, zunehmend erfolgreich Griechen gegen Griechen mobilisiert.[1] Im entbrennenden Kampf schlagen sich die 1944 nachrückenden Engländer auf die Seite von EDES und schneiden ELAS den Nachschub ab. Den im Epirus unterlegenen Italienern abgenommenen Waffen verdankt ELAS trotzdem den Sieg in dieser Kontroverse. Wie immer, wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Erst im Februar 1944 wird eine Waffenruhe vereinbart, die auch EDES auf ihre regionale Machtbasis im Epirus begrenzt.[2]

Die Landung des russischen Panzerkreuzers „Averof“, der am 18. Oktober 1944 unter dem Jubel der Griechen im Hafen von Piräus festmacht, markiert das Ende der deutschen Besatzung.

Für die begeisterten Menschen bietet sie leider nur eine viel zu kurze Zeit des Aufatmens nach der langen Zeit des Kriegselends. Lange vor Ende des Zweiten Weltkrieges stellen interessierte Mächte die Weichen für die Zeit nach dem Kriege; sich nach Frieden und Ruhe sehnende griechische Bürger haben keine Chance in der großen Weltpolitik. Der kommende „Kalte Krieg“ wirft einen weiten und dunklen Schatten voraus. Konflikte werden geschürt, die in einer blutigen Katastrophe für Griechenland münden. Eine Katastrophe, die der Filmemacher Manos Zacharias aus eigenem Erleben viele Jahre später mit den Worten beschreiben wird:

“Mit heutigen Augen, dem was wir über die Geschichte wissen,

werden wir diese Zeit nie verstehen können!“ [3]

Die Machtverhältnisse im Mittelmeerraum werden noch während der Kriegshandlungen neu geordnet.

Der engliche Premierminister Churchill vereinbart in der einzigen Verständigung mit Hitler-Deutschland während des gesamten Krieges die Übergabe Athens an die Engländer und den ungehinderten Abzug der Deutschen nach Thessaloniki. Der deutsche Riegel im Norden Griechenlands sollte ein Eingreifen Russlands und eine kommunistische Unterstützung der stark im Volk verankerten ELAS verhindern. Spricht Churchill anfangs noch bewundernd von den „tapferen Partisanen, die als einzige in der Lage seien, 30 Bataillone zu binden“, nennt er sie am Vorabend der Befreiung bereits „Banditen, die sich als Retter des Landes ausgäben[4]. Der Historiker Vassos Mat

Georgios Papandreou (Greek: Γεώργιος Παπανδρέο...
Georgios Papandreou (Greek: Γεώργιος Παπανδρέου – Geórgios Papandréou; Kalentzi, 13 February 1888 – Athens, 1 November 1968) was a Greek politician who served three terms as Prime Minister of Greece. Detail from a family picture of Georgios Papandreou at Kastri (August 1964). (Photo credit: Wikipedia)

hiopoulos bezeichnet diese Politik als schmutzigen Fleck in der britischen Geschichte [5].

Der 9. Oktober 1944 bringt im Moskauer Kreml die weitere Zuspitzung. Generalsekretär Stalin, Außenminister Molotow für Russland auf der einen sowie Premierminister Churchill und Außenminister Eden für die englische Seite schachern um Prozente und Länder. Churchill begründet dies: „England braucht Griechenland, um die Vorherrschaft im Mittelmeer zu sichern“[6]Er hat Erfolg.Stalin erklärt sich damit einverstanden, dass England in Griechenland freie Hand hat. Nötig ist dies auch, um die von Churchill gewollte Restauration der Monarchie in Griechenland zu ermöglichen.

 

Versteckt Eure Söhne im Haus, Mütter Athens,

wenn Ihr wollt, dass sie am Leben bleiben.

Der alte Mann in der Downing Street bringt Euch Euren König zurück.

Trimmed version of photograph released from th...
Trimmed version of photograph released from the German Federal Archive of the German theatre director, dramatist, poet and theorist Bertolt Brecht in 1954. (Photo credit: Wikipedia)

Bertolt Brecht

Der britische Premierminister bleibt am Ball.

Er sieht die gewünschte Auseinandersetzung voraus: „Ich erwarte eine Zusammenstoß mit der EAM und das müssen wir ausnutzen. Wir haben in Moskau einen hohen Preis bezahlt, um in Griechenland freie Hand zu haben[1]. Der britische Militärstatthalter General Skobie wird von ihm aufgefordert: „Zögern Sie nicht, auf jeden feuern zu lassen, der sich unseren Anordnungen widersetzt,“ und „wenn der Premierminister zurücktritt, verhaften Sie ihn, wir sind in einem besetzten Land“ [2]. Auch der frühere Generalsekretär der kommunistischen Partei Griechenlands, Charilaos Florakis, erinnert sich ähnlich: „…aber es war ein Fehler, zu glauben, dass wir nach der Befreiung von den Deutschen und den Italienern frei gewesen wären, eine eigene Entscheidung zu treffen „[3].

Georgios Papandreou wird nach dem Krieg erster Regierungschef des befreiten Griechenlands

und bedenkt EAM-Kandidaten ungeachtet ihrer politischen und militärischen Stärke nur mit fünf geringeren Ministerposten. Fast gleichzeitig ordnet Papandreou einer Entwaffnung der Partisanenverbände oberste Priorität zu und ruft zur Bildung einer nationalen Armee auf. Die Minister der EAM verlangen vergeblich eine gleichzeitige Demobilisierung von Gendarmerie, Gebirgsjägern und „Heiliger Kompanie“ und treten daraufhin geschlossen zurück.

English: Napoleon Zervas, leader of the milita...
English: Napoleon Zervas, leader of the military wing of the EDES resistance group, with fellow officers. (Photo credit: Wikipedia)

Für den 3. Dezember 1944 ruft die EAM ihre Getreuen zu einer Großdemonstration nach Athen und den Generalstreik aus. Die Demonstration endet in einem Blutbad, bei dem 15 Menschen von der Polizei erschossen werden. Nachfolgende Angriffe von ELAS-Einheiten münden innerhalb von drei Tagen in wilde Straßenschlachten zwischen ELAS, griechischer Polizei und britischen Streitkräften[4]. Tausende Opfer verbluten auf der Straße, Kommunisten nehmen Hunderte als Geiseln und exekutieren viele von ihnen als vermeintliche Verräter und Kollaborateure. Während des einen Monat dauernden Generalstreikes gibt es keinen Strom, kein Radio, keine Zeitungen, keine Lebensmittel; nur die Leichen werden gezählt.

Noch immer kennt der britische Premierminister kein Erbarmen. Am 8. Dezember 1944 befiehlt er: „Akzeptieren Sie kein Friedensangebot. Unser Ziel ist ausschließlich die Vernichtung der EAM [5]. Zur gleichen Zeit eröffnet die ELAS im Epirus eine Offensive gegen regierungstreue EDES-Verbände und reibt diese völlig auf.

Ein am 12. Februar 1945 in Varkisa vereinbartes Abkommen mit einer Amnestie für alle Partisanen stellt nur noch einen letzten Versuch dar, diese Auseinandersetzungen zu beenden. Er scheitert, da eine konservative Regierung jetzt die politische Situation im Land verschärft. Hatten schon vorher Rechtsextreme frühere ELAS-Widerständler in die Berge getrieben, so beschleunigt sich dieser Prozess nun noch mehr [6]. Grausamkeiten sind an der Tagesordnung auf beiden Seiten. Einen Höhepunkt stellt die Prämie dar, die von Engländern ausgelobt wird. Für je zwei abgeschnittene und im Sack angelieferte Köpfe von EAM-Partisanen wird ein Goldstück bezahlt [7].

Zwischen 1946 und 1949 versinkt ganz Griechenland in der Hölle eines offenen Bürgerkrieges, der aus dem Land und besonders aus dem Epirus für viele Jahre ein Armenhaus Europas machen sollte. In den Bergen des Epirus werden viele blutige Schlachten geschlagen und zwingen zahlreiche Bewohner zu Flucht und Emigration. Das letzte Gefecht wird auf den Gipfeln des Grammos-Gebirges geführt; es endet mit der vollständigen Niederlage der linksgerichteten Partisanen und ihrer heillosen Flucht nach Albanien. Als die Flammen des Bürgerkrieges in Griechenland erlöschen, haben 158.000 Menschen ihr Leben verloren, die Überlebenden fristen ihre Tage in bitterster Armut.[1]

Wo sind die Sieger, wer sind die Unterlegenen?

Der Historiker und Autor des Buches „Die tragische Konfrontation“ Alexandros Zaoussis

erinnert:

„Zwischen 1946 und 1949 fielen auf beiden Seiten des griechischen Bürgerkrieges 47.000 Menschen. Drei Jahre lang war alles Blut, das floss, griechisches Blut.

Weder auf Seiten der Briten noch der Amerikaner floss auch nur ein Tropfen Blut“.

Und:

„Kaum von der Besetzung befreit, musste so ein kleines Land in Europa

stellvertretend die Konsequenzen des Kalten Krieges

mit dem Blut seiner jungen Menschen bezahlen“ [2].

 

 


[1] La Guerre Civile Grecque, Film von Robert Manthoulis, Arte, September 1997

[4] Clogg R., Geschichte Griechenlands im 19.und 20. Jahrhundert, Romiosini Köln, 1997i

[5] La Guerre Civile Grecque, Film von Robert Manthoulis, Arte, September 1997

[6] Clogg R., Geschichte Griechenlands im 19.und 20. Jahrhundert, Romiosini Köln, 1997i

[7] La Guerre Civile Grecque, Film von Robert Manthoulis, Arte, September 1997

 

[1] Milionis Chr., Kalamas und Acheron, Romiosini Köln, 1990, S. 35

[2] Clogg R., Geschichte Griechenlands im 19.und 20. Jahrhundert, Romiosini Köln, 1997i