ΚΑΤΟΧΗ

„Deutsche Besatzung Griechenlands“

Italiener, Bulgaren und Deutsche

Nach der Befreiung vom türkischen Joch kommen wieder ausländische Besucher nach Paramythia. Sie finden eine Stadt vor, die sich langsam von der Besetzung erholt.

Paramythia's marketplace 1915
Paramythia’s marketplace 1915 (Photo credit: Wikipedia)

Die Stadt Paramythiá, früher von den Türken Aidonát (Hágios Donátos) genannt, (240m, etwa 70 m über der Ebene) steigt malerisch an den Flyschgehängen (Anm. d. Verf.: Flysch = Mergel- und Tonschiefer mit Sandsteineinlagerungen) hinauf; die Gassen des sehr lebhaften Basars sind höchst uneben, dabei eng und winkelig und schrecklich gepflastert. An den Gehängen liegen wiederum Burghäuser mit Gärten zerstreut, hier auf vorspringendem Rücken, dort in schattiger Schlucht verborgen. Dazwischen ragen aus düsteren Cypressen schlanke Minaretts empor. Über dem Ganzen thront ein mächtiges Kastell. In der Ebene unterhalb des Ortes breitet sich ein Ölwald aus. Die Stadt, Hauptort einer Eparchie, zählte 1928 2.300 Einwohner (die Einwohnerzahl der gesamten Eparchie betrug 15.688). Sowohl der Sprache als dem Bekenntnis nach waren die Bewohner bei meinem Besuch in zwei Parteien geteilt“.[1]         

1930 bereist der englische Archäologe Nick Hammond den Epirus und besucht auch Paramythia. In einem schwärmerischen Brief beschreiben er und seine schottische Frau Margarita am 22. Juli 1939 ihre Erinnerungen an die engen Straßen, an die Lieder und die vielfarbigen Gewänder der hübschen Frauen dieses Ortes[1]. Doch die Wende zu schlimmen Zeiten hat sich bereits angebahnt

                

Ioannina - Greece
Ioannina – Greece (Photo credit: massonth (a bit busylische Archäologe Nick Hammond den Epirus und besucht auch Paramythia. In einem schwärmerischen Brief beschreiben er und seine schottische Frau Margarita am 22. Juli 1939 ihre Erinnerungen an die engen Straßen, an die Lieder und die vielfarbigen Gewänder der hübschen Frauen dieses Ortes[2]. Doch die Wende zu schlimmen Zeiten hat sich bereits angebahnt.

Mussolini, Italiens faschistischer Führer, verlangt ultimativ Stützpunkte auf griechischem Staatsgebiet. Nach dem schroffen „Oichi – Nein“ des Premiers Metaxas greifen die Italiener mit 87.000 Soldaten ohne Warnung Griechenland an, rücken entlang der Westküste des Epirus bis zum Fluss Kalamas (Thyamis) und östlich bis Samarina vor. Gleichzeitig bombardieren Kampfgeschwader Korfu, Patras, Larissa und Thessaloniki; dabei lassen viele Zivilisten ihr Leben. Die griechische Empörung ist einhellig.

Als erste mobilisiert, setzen sich auch die Epiroten entschlossen zur Wehr. Während die Frauen unter unsäglichen Anstrengungen und Entbehrungen die Versorgung der Kämpfenden übernehmen, versperren an der Front im Pindus-Gebirge vereinte griechische Truppen den italienischen Soldaten den Weg, vernichten ganze Divisionen, nehmen zahlreiche Gefangene und verwandeln den Angriff d

Mussolini (left) and Hitler sent their armies ...
Mussolini (left) and Hitler sent their armies to North Africa and into Egypt against the British (Photo credit: Wikipedia)

er Italiener in eine rasche Flucht. Freie Länder feiern diesen Sieg

als Lichtstrahl in einer Zeit der Düsternis. Die griechische Armee setzt, beflügelt durch ihre Erfolge, den Flüchtenden bis nach Albanien nach.

Hitler-Deutschland sieht den Prestigeverlust seines Verbündeten Mussolini mit Sorge.

Um diesen zu retten und gleichzeitig die Veränderungen auf dem Balkan zu nutzen, stoßen deutsche Verbände durch Rumänien nach Bulgarien vor. In der Folge tritt Bulgarien dem Pakt von Deutschland, Italien und Japan bei. Weil auch mögliche türkische Reaktionen im Falle einer Invasion unklar sind, steigt die Angst in Griechenland.

Wie sich zeigen soll, sind die Ängste nur zu berechtigt

Am 9. März 1941 beginnt Mussolini eine Großoffensive gegen die griechischen Truppen in Albanien und wird erneut geschlagen. Um die Ehre ihres Verbündeten wieder herzustellen, betreten nun Hitlers deutsche Soldaten das Schlachtfeld. Deutsche Divisionen greifen ohne Vorwarnung am 6. April 1941 von Bulgarien aus Griechenland an. Bereits am 17. April ist auch die griechische Armee in Albanien gezwungen, den Rückzug anzutreten. Am 27. April fällt Athen, am 30. April stehen die deutschen Truppen an der Südspitze der Peloponnes. Die Deutschen teilen Griechenland für vier lange Jahre zwischen sich, den Italienern und den Bulgaren auf; dabei fällt Italien die Verwaltung des Epirus zu. Widerstand griechischer Partisanen in den Bergen des Epirus wird blutig bekämpft. Die meisten Guerillas kämpfen in den Reihen der am 27. September gegründeten und linksgerichteten  Nationalen Befreiungsfront (EAM), der bis November 1944 1,6 Millionen Griechen angehören sollten. Bei damals knapp sieben Millionen Einwohnern ist die EAM die bis in die Gegenwart größte Organisation in der griechischen Geschichte.

Hitler (standing in Mercedes) drives through t...
Hitler (standing in Mercedes) drives through the crowd in Cheb (German: Eger ) in October 1938, part of the German populated Sudetenland region of Czechoslovakia, which was annexed to Nazi Germany due to the Munich Agreement (Photo credit: Wikipedia)

Nazi-Deutschland verschärft auch deshalb den Kampf immer mehr. Am 16. September 1941 befiehlt Hitler, die Aufstandsbewegung rigoros niederzuschlagen und „im Gesamtraum mit den schärfsten Mitteln die Ordnung wieder herzustellen“[1]. Am gleichen Tag erlässt der Chef des Oberkommandos der deutschen Wehrmacht, Keitel, Richtlinien zur Ausführung des Führerbefehls.

Er erklärt:

„Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht muß auf kommunistische Ursprünge geschlossen werden“Und weiter: „Um die Umtriebe im Keim zu ersticken, sind beim ersten Anlaß unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um (…) einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50-100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muß die abschreckende Wirkung noch erhöhen“ [2]

Der Druck wird immer noch erhöht. Hitlers Weisung Nr. 47 vom 28. Dezember 1942 bestimmt als Hauptaufgabe des Oberbefehlshabers Südost die „endgültige Befriedigung des Hinterlandes und Vernichtung der Aufständischen und Banden aller Art“.[3] Den deutschen Kräften dürften keinerlei Beschränkungen bei der Tötung von Menschen und der Vernichtung von Sachwerten auferlegt werden, jedem Soldaten müsse generell Straffreiheit zugesichert und jene Soldaten als „Verräter am deutschen Volk“gebrandmarkt werden, die nicht mit der geforderten Rücksichtslosigkeit vorgingen. Die ganze Grausamkeit solcher Befehle wird vom Chef des Führungsstabes der Wehrmacht, Jodl, aufgezeigt. Er versichert, nach diesem Befehl könnten die Soldaten auch mit Frauen und Kindern „machen, was sie wollen: Sie dürfen sie aufhängen, verkehrt aufhängen oder vierteilen“.[1]

2009_07_17-Church of Koimesis - Paramythia
2009_07_17-Church of Koimesis – Paramythia (Photo credit: massonth (a bit busy))

Nach diesen Freibriefen wird vor Ort auch gehandelt.

Die 1. Gebirgsjägerdivision, nach ihrem taktischen Zeichen Edelweiß-Division genannt, wird in den Epirus nach Ioannina verlegt. Dazu wird am 7. Juli 1943 folgender Befehl ausgegeben: „Alle Ortschaften, die den Banden als Zuflucht dienen können, sind zu zerstören, die männliche Bevölkerung ist, soweit sie nicht wegen Verdachts der Teilnahme am Kampf oder Unterstützung der Banden erschossen wird, restlos zu erfassen und als Gefangene abzuschieben. Bei Sabotagefällen sind strengste Sühnemaßnahmen gegen die Bevölkerung zu treffen.“[2]

Kalamas, river in Greece

Viele Dörfer werden von Italienern und Deutschen in Brand gesteckt und dem Erdboden gleichgemacht. Armut und Elend herrschen überall. Die tragischste Zeit seit Gründung des griechischen Staates, die Zeit von Vertreibung und Vernichtung ist angebrochen. Die Besatzer fordern für ihren Unterhalt drei Millionen Drachmen pro Monat, schließen Schulen und Kirchen, beschlagnahmen und rauben, deportieren 70.000 griechische Juden in Vernichtungslager[3], verhaften und exekutieren. Eine große Zahl von unmenschlichen Verbrechen ist dokumentiert. Unter dem Vorwand der Niederschlagung eines Aufstandes werden zum Beispiel im Gebiet Drama, Doxato und Kavala am 29. September 1941 annähernd 15.000 Griechen ermordet.  Am 16. August 1943 vernichten Gebirgsjäger die epirotische Ortschaft Kommeno und töten 317 Bewohner jeden Alters und beiderlei Geschlechts auf unbeschreiblich grausame Weise. Kurz danach, am 29. September 1943, exekutieren deutsche Henker in Paramythia noch 49 Menschen. Kalavrita am 13. Dezember 1943, Distomo am 10. Juni 1944, , Karakolithos am 24. April 1944 und, und….!

Acropolisswastika
Acropolisswastika (Photo credit: Wikipedia)

Einzelfälle? Nein!

Selbst der mit den Besatzungsmächten zusammenarbeitende Ministerpräsident Rallis weist in einem Schreiben an den deutschen Militärbefehlshaber darauf hin, dass unter dem Vorwand, Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenaktionen durchzuführen, „die Vernichtung Griechenlands“ im Gang sei. Allein im Oktober 1943 habe man im Epiros über 1000 Griechen umgebracht. Seit dem Einmarsch der Wehrmacht in das relativ kleine Gebiet im Juli 1943 seien mehr als 100 Dörfer zerstört worden.[4]

Am 8. September scheidet Italien aus dem faschistischen Kriegsbündnis aus. Die deutsche Führung muss  Ende 1943 erkennen, dass Waffengewalt allein nicht ausreicht, um die griechische Partisanenbewegung zu vernichten. Sie

Adolf Hitler and Benito Mussolini in Munich, G...
Adolf Hitler and Benito Mussolini in Munich, Germany, ca. 06/1940 (Photo credit: Wikipedia)

beschließt, sich politischer Mittel und der Hilfe griechischer Gruppierungen zu bedienen. Mit einer Weisung über „die einheitliche Führung des Kampfes gegen den Kommunismus im Südosten“[5] pflanzt Hitler die Wurzeln des kommenden Bürgerkrieges in die griechische Erde. Es sollten die antikommunistischen Kräfte organisiert, deren Einsatz gegen die Partisanen politisch gelenkt, die Versorgung der Bevölkerung „auf die antikommunistische Aktion ausgerichtet“ und Einfluss auf die Sühnemaßnahmen genommen werden. Dabei kann sich die deutsche Führung auf Teile der griechischen Oberschicht stützen.

Hitler (left) as Soldier in WWI
Hitler (left) as Soldier in WWI (Photo credit: Wikipedia)

Es gelingt ihr auch, antikommunistische („nationale“) Widerstandsgruppen zu bewegen, ihren bisherigen Kampf gegen den Besatzer einzustellen und nunmehr kommunistische Griechen anzugreifen. Zur Verstärkung solcher Spaltungseffekte versichern die Machthaber Überlebensgarantien. „Feinde des 

 

Kommunismus“, heißt es nun, „seien zu Sühnezwecken nicht zu verwenden“.[1] Ein großer Teil des griechischen Volkes wird dadurch zu Freiwild erklärt. Die Kommunistenjagd nimmt ihren Lauf. Deutsche Offiziere entschieden, welche Regionen als „Kampfgebiet“ oder, was auf das gleiche hinauslief, als „partisanenverseucht“ einzustufen waren. Dabei wird der Begriff „kommunistische Viertel“[2] weit ausgelegt und dort rücksichtslos durchgegriffen.

English: Domenico Cavagnari (right) with Musso...
English: Domenico Cavagnari (right) with Mussolini. Italiano: Scattata a Napoli nel 1938 alla rivista navale in onore di Adolf Hitler, sulla plancia della Corazzara Cavour (Photo credit: Wikipedia)

Das Ende der deutschen Besatzung naht trotz überlegener Waffen. In einem für den Zweiten Weltkrieg einmaligen Abkommen vereinbaren Deutsche und Briten den ungehinderten Abzug der Hitler-Soldaten und das unmittelbar folgende Einrücken britischer Truppen. Die Partisanen der ELAS durchkreuzen die Vereinbarung. Nach schweren Rückzugsgefechten verlassen in der Nacht vom 2. auf den 3. November 1944 letzte erschöpfte deutsche Einheiten Griechenland in Richtung Jugoslawien. Als am 18. Oktober 1944 der russische Panzerkreuzer „Averof“ unter dem begeisterten Jubel der Griechen im Piräus festmacht, hat die Leidenszeit des Weltkrieges für Griechenland und den Epirus deshalb nur ein vorläufiges Ende gefunden. Auf der Akropolis weht wieder die Flagge der Hellenen. In den Freiheitstaumel mischt sich bittere Erinnerung an die Opfer des Krieges und der Besetzung, kommen bange Vorahnungen. Das Wüten der Soldateska forderte einen hohen Zoll und der Krieg im Innern lodert noch.

Adolf Hitler and Martin Bormann visiting occup...
Adolf Hitler and Martin Bormann visiting occupied Maribor in April 1941, officially launching the Nazi anti-Slovene policies. (Photo credit: Wikipedia)

16. 000 Gefallene, 70.000 Hingerichtete und an Hungertoten sind 300.000 zu beklagen, 1.700 Dörfer in Flammen aufgegangen.

Allein die Unterhaltsforderungen der Besatzer und der dadurch ausgelöste Hungerwinter 1941/42 kosten 100.000 Menschen das Leben.[3] Fünfzig Prozent der Industrie- und Gewerbebetriebe, 75 Prozent des Schienen- und Straßennetzes, 73 Prozent der Handelsflotte sowie 408.000 Wohnungen sind zerstört, ein Viertel der griechischen Wälder abgebrannt und 60 Prozent der landwirtschaftlichen Anbauflächen verwüstet.[4]

Für Thesprotia und Paramythia erfüllt sich mit dem Ende dieses Krieges die überlieferte Weissagung des Heiligen Kosmas. Er hatte seinen Landsleuten prophezeit, dass am Ende der Türkenbesetzung ein Drittel das Land verlassen habe, ein Drittel gestorben sei und ein Drittel sich wieder taufen lassen werde.[5] 18.000 bisher noch im Land verbliebene Turko-Tsamiden verlassen überstürzt mit allem Hausrat ihre Wohnungen und fliehen über den Kalamas nach dem heutigen Albanien.[6] Auch aus Paramythia werden alle Türken und Tsamiden, teils brutal, vertrieben.

Die Entwertung der griechischen Drachme macht den Überlebenden trotz aller Freude über die wiedergewonnene Freiheit das Leben schwer. Kosteten drei Pfund Brot zur Zeit der italienischen Invasion noch zehn, drei Pfund Käse noch 60 Drachmen, ist der Preis bis zum deutschen Rückzug im Oktober 1944 auf 34 Millionen und 1,16 Milliarden Drachmen hochgeschnellt.


[1] Seckendorf M., in Junge Welt, 15.Juli 2000, Vernichtungskrieg gegen Links, Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944, Teil 3

[3] Clogg R., Geschichte Griechenlands im 19. u. 20. Jahrhundert, Romiosini

[4] Frankfurter Rundschau, Nr. 167, 21.Juli 2000, S.3

[5] Mouselimh Sp., Istorikoi Peripatoi Ana Th Jesprwtia, Giannina 1997,S. 103

[1] Vgl.: Seckendorf M., in Junge Welt, 13.Juli 2000, Befriedung der Festung, Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944, Teil 2

[3] Frankfurter Rundschau, Nr. 167, 21.Juli 2000, S.3

[4] Vgl.: Seckendorf M., in Junge Welt, 13.Juli 2000, Befriedung der Festung, Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944, Teil 2

[5] Seckendorf M., in Junge Welt, 15.Juli 2000, Vernichtungskrieg gegen Links, Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944, Teil 3